Ich streichle über ihren Nacken, über ihren Haaransatz, weiter runter bis zu ihrem Hals. Ihre Haut ist so warm und weich. Am liebsten würde ich meinen Mund über ihren ganzen K?rper wandern lassen. Ruby schnappt nach Luft, als h?tte sie genau den gleichen Gedanken gehabt.
Der Laut rei?t mich aus meiner Trance. Schwer atmend l?se ich mich von ihr.
Obwohl wir uns gerade so nah sind wie schon lange nicht mehr, sind wir für mehr nicht bereit. Es gibt nach wie vor eine Grenze, die nicht von jetzt auf gleich überwunden werden kann, und als Ruby ihr Gesicht an meinem Hals vergr?bt und mich einfach nur h?lt, wei? ich, dass sie das Gleiche denkt wie ich.
Ich streichle ihren Rücken und halte sie fest – Sekunden, Minuten, Stunden. Es ist, als würde es in diesem Moment nur sie und mich geben. Nur uns zwei auf der ganzen Welt.
Ich wei? nicht, wie lange wir so dastehen, aber als wir uns schlie?lich loslassen, fühlt es sich an, als w?re eine halbe Ewigkeit vergangen.
Wir sehen uns an und l?cheln. Ruby streicht ihren Pony glatt, ich meinen Pullover. Es ist offensichtlich, dass wir beide nicht wissen, was als N?chstes kommt.
Ich r?uspere mich. ?Ich sollte –?
?Wie geht es –?, f?ngt Ruby im selben Moment an, und wir müssen beide leise lachen.
?Du zuerst?, sage ich.
Ruby l?chelt. ?Ich wollte nur fragen, wie es Lydia geht. Ich habe sie gestern Abend gar nicht gesehen.?
?Es geht ihr gut. Sie hat ab und zu noch mit übelkeit zu k?mpfen, deshalb hat sie die Gala ausgesetzt.?
Ruby runzelt besorgt die Stirn. ?Sonst ist aber alles in Ordnung, oder??
Ich nicke. ?Ja, das ist wohl ganz normal.?
Es tut gut zu wissen, dass ich bei Ruby nicht darauf aufpassen muss, was ich sage und was nicht. Sie kennt alle unsere Geheimnisse, es gibt nichts, worüber ich mit ihr nicht reden k?nnte. Ich wei? nicht, ob ich ihr jemals wirklich zeigen kann, wie viel mir das bedeutet.
Pl?tzlich greift Ruby nach meiner Hand und zieht mich zu ihrem Bett. Mein Magen schl?gt einen nerv?sen Salto, weil ich einen Moment lang überhaupt keine Ahnung habe, was das zu bedeuten hat. Aber dann l?sst Ruby sich im Schneidersitz auf das Bett fallen und deutet auf die Stelle neben sich. In mir breitet sich eine seltsame Mischung aus Entt?uschung und Erleichterung aus, und ich setze mich neben sie.
?Wie geht es dir mit der Oxford-Zusage??, fragt sie schlie?lich.
Die W?rme in meinem Inneren wird von eisiger K?lte verdr?ngt. Erschrocken sehe ich Ruby an.
?Okay, das w?re dann wohl die Antwort?, sagt sie und schenkt mir ein verst?ndnisvolles L?cheln.
?Du wei?t, wie ich Oxford gegenüber empfinde.?
?Das klingt, als h?ttest du eine Beziehung mit der Uni.?
Ich hebe eine Braue. ?Sagt gerade die Richtige. Glaub nicht, ich h?tte die Herzchen nicht gesehen, die du auf die ausgedruckte Zusage gemalt hast?, sage ich und deute auf die Pinnwand über dem Schreibtisch.
Ruby sieht mich ertappt an. Dann l?chelt sie. ?Ja, gut. Erwischt. Die Frage hast du trotzdem nicht richtig beantwortet.?
Ich überlege einen Moment lang. ?Ich freue mich, wenn du dich über die Zusage freust. Du freust dich einfach für uns beide?, sage ich m?glichst diplomatisch.
Ruby verdreht die Augen. Ehe ich reagieren kann, hat sie sich eines ihrer Kissen geschnappt und mir damit eins übergezogen. Im ersten Moment blinzle ich nur perplex, im n?chsten fahre ich zu Ruby herum. ?Das macht Lydia auch st?ndig. Bei ihr kann ich mich nicht wehren aus Angst, irgendwas kaputtzumachen. Aber bei dir …? Blitzschnell greife ich nach einem Kissen und werfe es auf Ruby. ?Bei dir sieht das anders aus.?
Sie reagiert schneller, als ich es für m?glich gehalten h?tte. Sie packt das Kissen, das ich nach ihr geworfen habe, und haut mich gleich zweimal damit. Als sie es ein drittes Mal versuchen will, umfasse ich ihr Handgelenk und halte sie fest.
Rubys Wangen sind ger?tet, ihr Atem geht schneller, und ihre Haare sind zerzaust. Alles in mir verlangt danach, mich zu ihr zu beugen und sie wieder zu küssen.
Kurzerhand lasse ich sie los. Ich r?uspere mich und nehme wieder ein Stück Abstand.
?Nimmst du die Zusage denn an??, fragt Ruby nach einer Weile.
Ich nicke einmal. ?Ja. Bei dir brauche ich gar nicht fragen, oder??
Ich riskiere einen Blick zu ihr, als die Hitze, die meinen Hals hinaufgekrochen ist, wieder ein wenig abgeflaut ist. Ruby sieht mich warm an, und auch wenn sie sich offensichtlich zurückh?lt, zeigt mir das Funkeln in ihren Augen deutlich, wie sehr sie sich freut.
?Natürlich nehme ich sie an.? Sie z?gert. ?Ich mache mir allerdings Gedanken, was passiert, wenn ich kein Stipendium bekomme. Ich habe mir schon alle m?glichen Infos über F?rderungsm?glichkeiten zusammengesucht, aber für die Programme bewerben sich jedes Jahr unglaublich viele Studenten – ich habe keine Ahnung, wie hoch meine Chancen sind. Ohne kann ich mir das Studium nicht leisten.? Es tut beinahe weh, zu sehen, wie die Freude nach und nach aus ihren Augen verschwindet und durch Angst ersetzt wird. ?Und dann wei? ich auch nicht, was ich machen soll.?