?Ich bin mir sicher, dass deine Chancen gut sind?, sage ich zuversichtlich.
?Ich werde auf jeden Fall bis zum Schluss darum k?mpfen?, sagt sie entschlossen, und in diesem Moment habe ich keinen Zweifel daran, dass Ruby alles schaffen kann, was sie sich vornimmt.
?Mum hat sich immer dafür engagiert, dass Beaufort verschiedene Projekte im Jahr unterstützt. Bestimmt sind da auch Stipendien dabei. Ich kann mich mal umh?ren, wenn du magst?, schlage ich vorsichtig vor. Ich bin mir nicht sicher, ob ich damit eine Grenze überschreite. Hoffentlich nicht.
Ruby z?gert einen Moment, aber ich stelle erleichtert fest, dass sie eher nachdenklich aussieht und nicht, als würde sie den Vorschlag unversch?mt finden.
?Das w?re lieb?, sagt sie schlie?lich. ?Wie ist denn die Situation bei euch zu Hause??
Ihr Blick ist ganz weich geworden, als ich von meiner Mum erz?hlt habe, deshalb verwundert mich ihr pl?tzlicher Themenwechsel nicht.
Ich denke kurz nach. ?Mit Lydia ist alles gut, und mein Dad … ist mein Dad. Ich sehe ihn nicht viel, und seit Dezember haben wir kaum miteinander geredet.?
?Das klingt nicht so gut?, murmelt Ruby.
Jetzt zucke ich mit den Schultern. ?Es ist besser so. Ich bin immer noch so wütend auf ihn. Dass er uns nicht gesagt hat, was mit Mum passiert ist, werden Lydia und ich ihm unser ganzes Leben lang nicht vergessen.?
?Ich habe mich noch nie geprügelt, aber ich glaube, ich w?re auch auf ihn losgegangen.?
Bei der Vorstellung muss ich fast grinsen. Leider vergeht der Impuls schnell wieder. ?Mich nervt, wie er mit Lydia umgeht?, sage ich ernst. ?Gerade jetzt, wo sie mit so vielen Sachen auf einmal klarkommen muss.?
?Was macht er denn??, fragt sie stirnrunzelnd.
?Er gibt ihr immer das Gefühl, dumm zu sein, was mich tierisch aufregt. Dass sie ebenfalls in Oxford genommen wurde, hat er nicht mal richtig zur Kenntnis genommen.?
Ruby verzieht die Mundwinkel missbilligend. ?Alles, was du mir über ihn erz?hlst, macht mich rasend. Kein Wunder, dass du dich freust, wenn er nicht zu Hause ist.?
Normalerweise hasse ich solche Gespr?che. In der Regel lenke ich vom Thema ab oder weiche aus, doch mit Ruby fühlt es sich ganz normal an, auf dem Bett zu sitzen und über meine famili?ren Probleme zu sprechen.
Ich glaube, hieran k?nnte ich mich gew?hnen.
?Was denkst du??, fragt Ruby unvermittelt.
Ich kann nur den Kopf schütteln. In meinem Hals ist ein Klo?, der nicht verschwinden will, egal, wie oft ich versuche, meine Stimme zu kl?ren.
?James?? Ruby klingt unsicher.
?Ich bin einfach froh, dass ich hier sein darf?, kr?chze ich.
Im n?chsten Moment rutscht Ruby ein Stück n?her an mich heran. Sie legt ihre Hand auf meine, und ich verschr?nke unsere Finger miteinander.
?Ich bin auch froh, dass du hier bist?, flüstert sie, und mein ganzer K?rper wird von W?rme durchflutet.
?Ich werde so schnell auch nicht mehr gehen?, erkl?re ich, den Blick auf unsere H?nde gerichtet. ?Stell dich schon mal drauf ein.?
Ruby
James und ich haben noch ungef?hr zehn ungest?rte Minuten, bevor Ember übertrieben laut an die Tür klopft und uns Cookies von unten bringt, mit denen Mum sie hochgeschickt hat. James springt vom Bett auf, als h?tte ihn eine Tarantel gestochen. Als sie wieder verschwindet, l?sst meine Schwester die Tür mit einem bedeutungsschweren Blick sperrangelweit offen stehen, woraufhin ich nur die Augen verdrehe. James und ich haben uns nur unterhalten und sind nicht nackt übereinander hergefallen.
Wenn Mum das allen Ernstes denkt, dann … wei? ich auch nicht, was ich davon halten soll.
James, der nach Embers Abgang unschlüssig in der Mitte des Zimmers verharrt, deutet auf die Bücher auf meinem Schreibtisch. ?Bis wann musst du die durchgearbeitet haben??, fragt er.
Ich seufze. ?Eigentlich h?tte ich fast alles davon schon lesen müssen. Ich h?nge wegen der Gala total hinterher.?
?Okay?, murmelt James und h?lt Der Utilitarismus von John Stuart Mill hoch. ?Das hier hat nur knapp über hundert Seiten, und ich habe schon reingelesen. Wir k?nnten es zusammen durchgehen, wenn du magst.?
Ich blinzle. ?Du m?chtest Schulkram mit mir machen??
?Klar?, sagt er und deutet auf den Schreibtisch. ?Hast du noch einen zweiten Stuhl??
Ich bin so perplex, dass mir einen Moment lang die Worte fehlen.
Schlie?lich nicke ich und rutsche vom Bett. ?Bin sofort wieder da. Rühr dich nicht vom Fleck.?
Ich sprinte in Embers Zimmer. Sie sitzt auf dem Boden vor ihrem Bett, den Rücken gegen das Gestell gelehnt und ihren Laptop auf dem Scho?. Als sie mich sieht, tritt ein vielsagendes Grinsen auf ihre Lippen, und sie zieht sich die Kopfh?rer vom Kopf.
?Naaa??, fragt sie gedehnt. Anscheinend hat sie mit unserer Diskussion vom Morgen gedanklich abgeschlossen – oder ist einfach zu neugierig, als dass sie mir in diesem Moment die kalte Schulter zeigen k?nnte.