Sag Percy am besten, er soll umdrehen.
Ruby?
Sie hat mir die erste vor gut fünfzehn, die letzte vor drei Minuten geschickt, auch von James habe ich drei verpasste Anrufe auf dem Handy. Panik steigt in mir auf, als ich auf mein Handy starre und überlege, was ich tun soll. Doch bevor ich überhaupt die M?glichkeit bekomme, einen klaren Gedanken zu fassen, h?lt Percy den Rolls-Royce bereits vor dem Haus der Beauforts an.
Mit wachsender Beunruhigung beobachte ich, wie er aussteigt, um den Wagen herumgeht und die Tür ?ffnet. Schwer schluckend nehme ich die kleine Tasche, in der ich die drei Packungen Ben & Jerry’s verstaut habe, ergreife die Hand, die Percy mir hinh?lt, und lasse mir von ihm nach drau?en helfen. Dort nehme ich einen tiefen Atemzug der kühlen Abendluft und sehe mich vorsichtig um.
Oben vor der wuchtigen Tür kann ich James und Lydia sehen, die auf der Schwelle stehen und bereits auf mich warten. James hat beide Arme vor der Brust verschr?nkt, w?hrend Lydia mir einmal kurz entgegenwinkt. Ich drehe mich zu Percy um. ?Ich wei? nicht, wie lange ich bleiben kann. Sind Sie noch eine Weile hier??
Auf den Lippen des Chauffeurs breitet sich ein schmales L?cheln aus. ?Ich bin immer hier, Ms Bell. Mr Beaufort soll mir einfach Bescheid sagen, dann fahre ich Sie nach Hause.? Er hebt seine Mütze leicht an, dann steigt er wieder in den Wagen, vermutlich um ihn zu den breiten Garagen seitlich des Hauses zu fahren.
Schnell gehe ich die Treppenstufen zum Eingang nach oben.
?Hey?, flüstere ich, als die beiden in H?rweite sind. ?Ich habe die Nachrichten erst vor einer Minute gesehen. Euer Dad ist hier??
James und Lydia nicken. Obwohl beide alles andere als glücklich aussehen, zieht James mich in eine kurze Umarmung. ?Hey?, murmelt er in meine Halsbeuge, und ich bekomme am ganzen K?rper G?nsehaut.
Nachdem wir uns voneinander gel?st haben, seufzt Lydia. ?Dad ist extra heimgekommen, weil er mit uns zu Abend essen m?chte.?
?Dann gehe ich besser wieder, oder??, frage ich unschlüssig. Ich will den beiden nicht das Gefühl geben, dass ich mich aus dem Staub mache, sobald es kompliziert wird. Immerhin hat James auch einen ganzen Abend in Gesellschaft meiner Familie ausgehalten. Aber sie sehen so unglücklich über die Tatsache aus, Zeit mit ihrem Vater verbringen zu müssen, dass ich die Situation mit meiner Anwesenheit nicht noch verkomplizieren m?chte.
James l?chelt mich schief an. ?Ich m?chte dir diese Folter einfach gern ersparen.?
Genau in diesem Moment erscheint Mortimer Beaufort im Hausflur.
Als er mich erblickt, weiten sich seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde.
Ich versteife mich.
?Bittet euren Gast rein und macht die Tür zu, verdammt, wo leben wir denn hier??, ert?nt seine donnernde Stimme. Lydia und James rei?en die Augen auf und drehen sich um.
Eine Sekunde lang starren wir uns an. Lydia reagiert als Erste und zieht mich sanft am Arm ins Haus. Sie schlie?t die Tür hinter mir, und dann stehe ich pl?tzlich nur wenige Meter entfernt von Mortimer Beaufort, der mich von oben bis unten in Augenschein nimmt.
Ich tue es ihm gleich. Er tr?gt einen ma?geschneiderten dunkelblauen Anzug, und sein sandfarbenes Haar ist sauber zur Seite gek?mmt und dort mit Gel fixiert. Es ist seit unserer letzten Begegnung ein bisschen heller geworden, aber der Blick in seinen Augen ist unver?ndert – eiskalt, ohne auch nur eine einzige Emotion. Ich schlucke schwer. Meine Kehle fühlt sich an, als h?tte ich Sand verschluckt.
Im n?chsten Moment frage ich mich, warum ich es zulasse, dass dieser Mann mich so einschüchtert. Es ist mir egal, was er von mir denkt, schlie?lich empfinde ich für ihn nur Wut, Verachtung und Abneigung – und keinerlei Respekt.
Also strecke ich den Rücken durch und begegne seinem Blick. ?Guten Abend, Mr Beaufort?, sage ich.
?Dad, du erinnerst dich sicher noch an Ruby?, fügt James hinzu.
Mr Beaufort nickt mir knapp zu. Dann wendet er sich an James. ?Das Essen ist fertig. Eure … Freundin ist eingeladen.?
Er schenkt weder mir noch Lydia einen weiteren Blick, bevor er kehrtmacht und in einem Raum am anderen Ende der Eingangshalle verschwindet.
Neben mir kann ich Lydia ruckartig ausatmen h?ren. ?Oh Gott, Ruby?, sagt sie. ?Das tut mir so leid. Wir wollten uns einen sch?nen Abend machen, und jetzt müssen wir uns mit Dad rumqu?len. Statt Sushi gibt es jetzt wahrscheinlich Coq au vin.? Sie verzieht das Gesicht.
James’ Blick ist eindringlich, als er mich ansieht. ?Noch kannst du verschwinden.?
?Dein Vater hat mich schon gesehen.?
?Das ist egal.?
?W?re es dir denn lieber, wenn ich verschwinde??
James z?gert keine Sekunde. ?Nein, natürlich nicht. Je eher Dad sich mit dem Gedanken anfreundet, dass du zu uns geh?rst, desto besser.?