Ich spüre, wie mein Gesicht noch r?ter wird, und versuche krampfhaft, die Gedanken zu verdr?ngen. Sie haben hier nichts zu suchen. Ich war zwei Jahre lang meisterhaft darin, Privates und Schulisches zu trennen – es wird Zeit, dass ich damit jetzt wieder anfange.
?Die Charity-Gala findet im Februar statt?, antwortet Jessalyn auf Lins Frage. ?Der Elternvorstand hat entschieden, dass wir in diesem Jahr für das Pemwick-Familienzentrum sammeln. Sie wollen ihr psychoanalytisches Angebot ausweiten, und dafür fehlt ihnen noch eine gro?e Summe.?
?Wie jedes Jahr soll die Party opulent werden?, fügt Kieran hinzu. ?Der Dresscode ist Black Tie, und wir haben ein hohes Budget zur Verfügung. Lexington vertraut darauf, dass wir die G?ste mitrei?en und zum Spenden animieren.? Ich notiere opulente Party und hohes Budget auf meinem Notizblock. Das ergibt zwar keinen Sinn, weil ich das alles l?ngst wei?, aber wenigstens habe ich so eine Entschuldigung, den Blick gesenkt zu halten und nicht in James’ Richtung sehen zu müssen.
?Die Veranstaltung wird in der Boyd Hall stattfinden. Es gibt einen Umtrunk vorweg, Fingerfood und das Bankett eines Fünf-Sterne-Kochs, der die Dienste des Familienzentrums früher selbst in Anspruch genommen hat und das alles umsonst macht. Das bedeutet, wir konnten bei Dekoration und Entertainment ein bisschen mehr Geld ausgeben?, erkl?rt Lin. ?Wir haben einen Pianisten aus London engagiert, der den Abend begleiten soll, und der H?hepunkt soll der Auftritt einer Akrobatengruppe sein, die uns Camilles Eltern empfohlen haben.?
?Einige von ihnen waren mal bei Cirque du Soleil?, erklingt Camilles selbstzufriedene Stimme. Ich will gerade Cirque du Soleil aufschreiben, als ich merke, wie d?mlich ich mich verhalte. Ich kann nicht die gesamten eineinhalb Stunden hier sitzen und auf meinen Zettel starren, nur weil James anwesend ist. Kurzerhand lege meinen Stift beiseite und sehe zu Camille, die weiterspricht. ?Sie sollen für eine mystische Stimmung sorgen.?
Lin neben mir seufzt. ?Wir haben nur nach wie vor das Problem, Sponsoren zu finden, die zu der Gala kommen m?chten und auch bereit sind, dort eine Spende zu geben. Wir k?nnen ja nicht nur Maxton-Hall-Eltern einladen. Au?erdem brauchen wir noch Laudatoren, die vor den G?sten sprechen. Am besten w?ren Leute, denen das Familienzentrum in der Vergangenheit mal geholfen hat. Das wirkt besonders authentisch.?
?Wir hatten ja letzte Woche gesagt, dass wir uns weiter umh?ren?, melde ich mich schlie?lich zu Wort. ?Ist irgendjemand von euch weitergekommen??
Ich muss nur in die missmutigen Gesichter meiner Teammitglieder sehen, um zu wissen, wie ihre Antworten lauten werden.
?Meine Mails werden ignoriert, und am Telefon vertr?sten sie mich entweder aufs n?chste Jahr oder sagen mir mal mehr, mal weniger deutlich, dass ich sie endlich in Ruhe lassen soll?, meint Kieran. ?Niemand hat Lust, seine Leidensgeschichte ?ffentlich zu machen. Schon gar nicht in Maxton Hall.?
Die anderen nicken zustimmend.
?Vielleicht müssen wir unseren Radius ein bisschen erweitern?, schl?gt Jessalyn vor. ?Und auch Leute kontaktieren, die nicht dieses Familienzentrum besucht haben, sondern auch ein anderes.?
?Gute Idee?, sage ich. ?Wir k?nnten auch bei Universit?ten anfragen, ob es irgendjemanden in den entsprechenden Fachbereichen gibt, der bereit dazu ist, eine Rede zu halten.? Mein L?cheln ist zuversichtlicher, als ich mich fühle. ?Wir schaffen das schon. Und es ist ja auch noch ein bisschen Zeit.?
Zustimmendes Murmeln erklingt.
?Da du jetzt wieder im Team bist, kannst du gerne die Abwicklung mit dem Dekorationsstudio übernehmen und auch alles mit Hausmeister Jones kl?ren?, sagt Lin pl?tzlich an James gewandt. ?Er ist immer froh, wenn ihm jemand hilft, die Boyd Hall vorzubereiten.?
Ich wage einen Blick in James’ Richtung.
Er blinzelt irritiert, bringt dann aber ein tonloses ?Geht klar? hervor.
Es kostet mich gr??te Mühe, das Grinsen zu unterdrücken, das sich auf mein Gesicht zu k?mpfen versucht. Die Halle sauber zu machen und vorzubereiten – das ist die Aufgabe, die niemals jemand freiwillig macht. Dass Lin sie einfach an James delegiert, ist witzig. Und es zeigt mir wieder mal, was für ein zauberhafter Mensch sie ist.
Der Rest des Meetings verl?uft nach Plan, trotzdem bin ich froh, als die neunzig Minuten vergangen sind. Lin und ich verteilen die To-dos untereinander, w?hrend die anderen sich von uns verabschieden und den Raum verlassen – alle au?er James und Camille, die ihre Sachen extra langsam einzupacken scheinen. Ich versuche, nicht auf sie zu achten, doch es gelingt mir nicht. Ich h?re jedes Wort von Camilles gemurmelter Beileidsbekundung. Mein Magen krampft sich zusammen, gleich darauf ermahne ich mich. Ich wollte keinen Schmerz mehr wegen James fühlen und auch nicht für James. Eigentlich wollte ich überhaupt nichts mehr fühlen, wenn es um James Beaufort ging.