Ich kann leises Murmeln am anderen Ende der Leitung h?ren.
?Natürlich, ich schicke dir die Details. Das w?re fantastisch, Owen, danke dir.?
James beendet das Gespr?ch und tippt etwas in sein Handy. Dann wendet er sich wieder an mich. ?Solange du es Sutton nicht sagst, wirst du nicht wissen, wie er reagiert.?
?Also r?tst du mir, es ihm zu sagen.?
Er nickt. ?Ja. Und ich finde auch, er hat ein Recht darauf, es zu erfahren.?
Ich starre in meine Tasse. Durch den Rest der pinkfarbenen Flüssigkeit versuche ich, im Teesatz ein Muster zu erkennen.
Keine Anrufe mehr. Das hatten wir abgemacht.
Selbst wenn er beschlie?t, dass er ab sofort für mich und die Babys da sein wird – was bedeutet das dann? Nur, dass er sich schuldig fühlt, mehr nicht. Dabei wünsche ich mir nichts sehnlicher, als mit Graham zusammen zu sein, weil er es will. Aus freien Stücken und nicht, weil er durch eine Schwangerschaft dazu gezwungen wird.
James’ Handy klingelt erneut. Er h?lt mir einen Finger hin, um anzudeuten, dass unser Gespr?ch noch nicht zu Ende ist, dann hebt er ab.
Ich trinke den Rest meines Tees und stelle die leere Tasse auf dem Tisch ab. Danach nehme ich mein eigenes Handy und ?ffne meine Nachrichten. Grahams Nummer ist noch immer eingespeichert. Ich habe es einfach nicht über mich gebracht, sie zu l?schen. Allein, sie dort zu haben und zu wissen, dass ich ihm schreiben k?nnte, wenn ich wollte, genügt mir.
Ich scrolle unseren Verlauf nach oben. Darin befinden sich nicht nur allt?gliche Nachrichten und Fotos, sondern auch welche, in denen wir uns unsere tiefsten ?ngste und Sorgen anvertraut haben. Jeder normale Mensch h?tte diese Nachrichten gel?scht, statt sie zu behalten und wie ein altes Fotoalbum immer wieder durchzubl?ttern.
Anscheinend bin ich kein normaler Mensch.
Das hier ist das Einzige, was mir von ihm bleibt. Und ich bin einfach noch nicht bereit, mich endgültig von ihm zu l?sen. Um ehrlich zu sein, wei? ich nicht, ob ich das jemals sein werde. Ich vermisse ihn so. Ich vermisse unsere Telefonate, sein Lachen bei schlechten Actionkom?dien, unsere verschlungenen Finger unter dem Tisch eines Cafés. Das Wissen, dass ich das nicht zurückhaben kann, bringt mich beinahe um den Verstand.
?Das klingt wunderbar?, dringt James’ Stimme an mein Ohr. Er h?rt sich so enthusiastisch an, dass ich ihn mit hochgezogener Augenbraue ansehe. ?Ja, natürlich. Ich danke dir, Alice, bis dann.? James atmet h?rbar aus und streckt beide Arme über dem Kopf aus.
?Alice? Alice Campbell??, frage ich.
Er dreht sich in meine Richtung. ?Sie schuldet mir noch einen Gefallen.?
?Ich will lieber nicht wissen, weshalb.?
Er l?chelt verwegen. ?Ruby findet Alice toll.?
Kein Wunder. Alice Campbell hat in Oxford studiert und noch w?hrend ihres Studiums ihre eigene Kulturstiftung gegründet.
?Du legst dich wirklich ganz sch?n ins Zeug?, kommentiere ich. Ich bereue es sofort, als James’ Blick ernst wird.
?Zurück zum Thema?, sagt er, doch ich schüttle den Kopf.
?Ich kann es ihm nicht sagen. Wie soll ich dann bitte noch in seinem Unterricht sitzen??
?Du kannst in meinen Geschichtskurs wechseln.?.
?Das ist total auff?llig.?
James zuckt mit den Schultern. ?Die Leute wechseln st?ndig aus allen m?glichen Gründen. Ich denke nicht, dass das besonders auff?llig ist. Wir k?nnten als Grund nennen, dass du lieber mit mir lernen willst.?
?Ich wei? nicht?, murmle ich.
?Egal, was du machst?, sagt James. ?Ich helfe dir.? Er sieht mich noch einen Moment lang ernst an, dann wendet er sich wieder seinem Laptop zu.
Ich spüre ein leichtes Kribbeln in meinem Bauch und lege die Hand darauf, um zu fühlen, ob es sich um eines der Kleinen handelt. Inzwischen sind leichte Bewegungen von ihnen bemerkbar – fast, als h?tte ich Schmetterlinge im Bauch.
Jetzt, wo James Bescheid wei?, geht es mir zwar deutlich besser als vorher, aber das ?ndert nichts daran, dass ich zwei Kinder erwarte, Single-Mutter sein werde und wahrscheinlich auch die Schule abbrechen muss. Wobei … vielleicht schaffe ich es, meine Abschlussprüfungen zu schreiben, bevor das alles ans Licht kommt.
Ich zwinge mich zu drei tiefen, ruhigen Atemzügen. Ich darf mich jetzt nicht in Gedanken an eine ohnehin ungewisse Zukunft verlieren. Ich muss einen Tag nach dem anderen angehen. Denn wenn ich mir von morgens bis abends Sorgen mache, bringt das niemandem etwas – schon gar nicht den kleinen Würmern, die jetzt unbedingt meine Priorit?t sein müssen.
?Fuck?, st??t James pl?tzlich aus. Er hat beide Arme hinter dem Kopf verschr?nkt und starrt mit gro?en Augen auf seinen Bildschirm.
?Was ist??
James ist wie eingefroren. Von Unruhe erfasst stehe ich auf und gehe rüber zu seinem Schreibtisch. Ich stelle mich hinter seinen Stuhl und umfasse die lederne Lehne. Anschlie?end beuge ich mich ein Stück vor.