?Was denn??, hake ich nach.
Ember weicht meinem Blick aus. Sie beginnt, Seiten in ihrem Internet-Browser aufzurufen, scheint aber nicht wirklich zu wissen, was sie eigentlich tut. ?Es ist nicht so wichtig. Ich kann nur nicht glauben, dass das tats?chlich unsere letzten gemeinsamen Monate sind.?
?Nur weil ich ausziehe, bedeutet das ja nicht gleich, dass wir uns gar nicht mehr sehen werden, Ember?, sage ich sanft.
Ember starrt weiter auf den Bildschirm ihres Laptops. ?Doch, und das wei?t du auch.?
Energisch schüttle ich den Kopf. ?Die Dinge werden sich ein bisschen ver?ndern, aber das hei?t nicht, dass wir uns überhaupt nicht mehr sehen. Ich werde jedes Wochenende nach Hause kommen, und ich werde auch weiterhin mit dir an deinem Blog arbeiten. Wir werden telefonieren und skypen, und ich werde dir peinliche Bilder von meinem Mittagessen schicken und dir berichten, welche Bücher ich gerade lese, und …?
Sie unterbricht mich mit einem Lachen. ?Du musst es mir versprechen, Ruby?, sagt sie gleich darauf ernsthaft.
Ich lege einen Arm um die Schulter meiner kleinen Schwester und ziehe sie an meine Seite. ?Versprochen.?
James
Die Woche vor der Gala ist eine der stressigsten in meinem Leben.
Ich muss immer noch den ganzen Schulstoff aufholen, den Lydia und ich vor Weihnachten verpasst haben, au?erdem gibt es für die Feier noch so viel vorzubereiten, dass ich irgendwann nicht mehr wei?, wo mir der Kopf steht. Ruby und Camille beschlie?en montags, die Glühbirnen in der Boyd Hall durch welche zu ersetzen, die ein gedimmtes Licht abgeben und somit eine stimmungsvolle Atmosph?re schaffen. Also muss ich Glühbirnen besorgen. Dienstags entscheidet der Pianist, dass er für l?cherlich wenig Musik pl?tzlich einen viel h?heren Lohn haben will. Also muss ich gemeinsam mit Kieran zu ihm fahren und ihn runterhandeln. Auf der Fahrt überredet mich Kieran dazu, mir am Mittwoch die Proben des Schulchors anzuh?ren und deren Songliste zu checken, weil Ruby keine Zeit hat und Lin die Feinheiten klassischer Musik nicht versteht (seine Worte)。 Der H?hepunkt ist allerdings am Donnerstag, als das Team zusammengerufen wird, um das Silberbesteck zu polieren (nicht meine Lieblingsaufgabe) und Servietten zu Bischofsmützen zu falten (purer Hass)。 Ich habe mich immer für einen sehr fingerfertigen Menschen gehalten – anscheinend aber nicht, wenn es darum geht, Anleitungen zum Serviettenfalten zu befolgen.
Die Jungs gucken mich schr?g an, wenn ich v?llig fertig zum Lacrosse-Training komme oder es sogar ganz ausfallen lassen muss, stellen aber keine Fragen. Ich wüsste auch nicht, wie ich erkl?ren soll, was gerade bei mir los ist.
Es fühlt sich an, als würde ich mich an einen Strohhalm klammern und mich weigern loszulassen. Ruby hat mir auf der Rückfahrt zur Schule zwar deutlich gemacht, dass sie noch nicht bereit für das ist, was ich zu sagen habe. Und das respektiere ich auch. Aber dieser Moment in der Fotobooth – als wir uns so nahe waren, Rubys Lippen nur ein paar Zentimeter von meinem Kiefer entfernt, und ich ihren stockenden Atem auf meiner Haut spüren konnte … In diesem Augenblick wurde mir klar, dass ich nicht umsonst k?mpfe.
Und solange auch nur ein Funke Hoffnung für uns existiert, werde ich nicht aufgeben. Ich war noch nie ein sonderlich geduldiger Mensch, aber wenn es um Ruby geht, habe ich alle Zeit der Welt – oder werde sie mir nehmen. Ruby ist es wert.
Nichtsdestotrotz atme ich durch, als ich am Freitag meine Sportsachen anziehen und endlich wieder aufs Feld gehen kann. Der Zirkelkurs, den der Coach uns durchlaufen l?sst, ist hart, aber die k?rperliche Anstrengung tut gut und lenkt mich ab. Gerade müssen wir uns gegenseitig Huckepack über den Sportplatz tragen. Alistair ist zwar ziemlich stark, versagt aber nach zehn Minuten unter meinem Gewicht, und wir gehen beide zu Boden.
?Verdammt?, knurre ich und rolle mich auf den Rücken. Obwohl mittlerweile Februar und der Frühlingsbeginn in greifbarer N?he ist, ist es immer noch arschkalt drau?en und der Boden verflucht hart. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mir gerade beide Knie aufgeschlagen habe.
?Weitermachen!?, bellt Coach Freeman und bl?st kr?ftig in seine Trillerpfeife.
?Und weiter geht’s?, sagt Alistair und klatscht in die H?nde.
Er positioniert sich wieder vor mir, w?hrend Kesh und Wren zu zweit an uns vorbeihechten.
?Ich bin dran?, gebe ich zurück und deute auf meinen Rücken. Alistair verdreht die Augen, kommt meiner Aufforderung aber nach und springt auf. Im n?chsten Moment sprinte ich los, vorbei an meinen Mannschaftskameraden, so schnell ich kann, bis jeder Muskel in meinem K?rper brennt und der Abstand zu Kesh und Wren immer geringer wird.
Als wir auf gleicher H?he sind, st?hnt Wren auf. ?Nicht schon wieder!? Er schl?gt Kesh in die Seite, damit er schneller wird. ?Hau rein, Mann.?